Medizin unterwegs

Gestern und vorgestern hatte ich Dienst. Es war nicht viel los; in den Nächten konnte ich schlafen.

Zu Besuch im Doctor’s House ist seit 3 Tagen Walter, Internist aus Düsseldorf, der mit dem Fahrer Bobby, mit Nancy und mit Gaga (das ist Rufinos Schwester) auf Rolling-Clinic-Tour ist. Gestern abend saßen wir bei Bier (er) und Wasser (ich, denn ich hatte ja Dienst) beisammen und Walter sagte: “Weißt Du was? Morgen hast Du doch frei. Komm’ einfach mit!”

Und heute fuhr ich einfach mit im blauen Landcruiser, in’s Sitio Upiang. Sitio ist die kleinste Siedlungseinheit hier, entspricht einem Weiler. Übergeordnet ist das Barangay, Dorf. Barangay heißt auch Boot (alte Seefahrernation), und deswegen heißt der Bürgermeister “Barangay Captain”.

Der Landcruiser musste nicht viel beweisen, es war nicht weit, nur etwa 45 Minuten. Upiang liegt in einer großartigen Gebirgslandschaft, im tiefen Tal. Verstreute Pfahlbauten, eine “Church of Christ”-Hütte, ein Kiosk.

Und ein Dorfplatz. Die Dorfplätze sind meistens dem Nationalsport Basketball untergeordnet, sie haben zwei Körbe an den Enden und Markierungen auf dem Boden. Auch in den kleinen Weilern.

Bobby hielt neben dem Dorfplatz. Walter und ich wurden vom Barangay Sub-Captain per Handschlag begrüßt und zum native Coffee eingeladen, während Bobby mit den beiden Healthworkers auslud und aufbaute. 20 Minuten später war alles fertig unter’m Wellblechdach: Ein Tisch mit einem Doktor an jedem Ende. An der einen Längsseite zwei Stühle mit den Lehnen zueinander, für die Patienten, und an der anderen der Stuhl für Gaga, die simultan für beide Doktoren gleichzeitig übersetzte und das Statistikbuch führte.

Wenn der Doktor in’s Dorf kommt, sind die Krankheiten nicht so schlimm wie wenn die Patienten in’s Krankenhaus kommen., das ist klar. 4- bis 6-köpfige Familien traten an zur Reihenuntersuchung, ausnahmslos mit Common Cold, Erkältung. Der Doktor ist halt da. Nancy schenkte literweise Lagundi aus. Windpocken, Krätze, Impetigo gab’s auf der Haut zu sehen. Und immer auf das halbjährliche “Deworming” achten! Alles ziemlich normal. Ein 25jähriger war deutlich krank und wurde mit Verdacht auf Typhus nach Buda geschickt.

Lunch im Dorfhaus: Reis mit Knochen und Gemüse, gekocht auf dem Holzfeuerherd. Dazu Coca-Cola.

Eine junge Frau trug ihre zwei Wochen alte, daheim geborene Tochter im lokaltypischen Reissack-Tragetuch. Auf der Karte stand: “For Checkup”. Das Kind war gut eingewickelt und nicht leicht zu finden. Als ich es fand, wurde die Untersuchung auf der Tischplatte notwendig und die Dörfler raunten. Holoprosencephalos. Kein Gehirn. Nur ein Gesichtsschädel. Diese Kinder sterben üblicherweise wenige Stunden nach Geburt. Dieses Mädchen konnte grimassieren und trinken, lebte seit 2 Wochen und war vital.

Sie kann hier genausogut wie in Westeuropa betreut werden, nämlich mit Wärme, Milch und Liebe. Ihre Lebenswartung beträgt wenige Wochen.

Anders als in Westeuropa ist es hier ganz normal, die ärztliche Diagnose im Kreis der Nachbarn zu stellen und auch das Aufklärungsgespräch öffentlich zu halten. Ein bisschen wie im Theater. Die Zuschauer machten “Ah” und Oh” und große Augen. Der Nächste, bitte.

Unser Aufenthalt war geplant bis 17 Uhr, aber wir waren ja zu zweit. Und um 14:30 Uhr schon fertig. Bobby hat’s gefreut, weil der nächste Sitio noch im Tageslicht erreichbar war. Hinauf bis zur Landstraße fuhr ich mit im Landcruiser, dann musste ich in die andere Richtung und nahm den Bus.

Wenn ich wieder herkomme, werde ich Rolling-Clinic-Doktor.

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Eine Antwort auf Medizin unterwegs

  1. Lisa sagt:

    Du scheinst Dich ja richtig heftig angesteckt zu haben mit dem Buda-Virus :-) ! Conny, Du bist als Arzt und Blogger einfach große Klasse. Dein Blog ist total interessant und sehr informativ. Ich lese ihn mit Begeisterung. Komm gut nach Hamburg zurück und LG :-) !

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